Ariella Käslin, Europameisterin im Kunstturnen, hat eine ganz eigene Geschichte zum Thema HPV (humane Papillomaviren). Im Interview schildert sie ihre persönlichen Erfahrungen, als sie 2018 mit der Diagnose «Gebärmutterhalskrebsvorstufe» konfrontiert wurde.
Liebe Ariella, was ist Dein persönlicher Bezug zum Thema humane Papillomaviren?
Im vergangenen Jahr wurde bei mir während einer Routineuntersuchung eine HPV-Infektion festgestellt. Ich hatte bereits von dem Begriff gehört und wusste, dass sich ca. 70-80 % aller sexuell aktiven Menschen einmal in ihrem Leben mit dem Virus anstecken. Die Tatsache, dass einige HPV-Typen aber auch Gebärmutterhalskrebs auslösen können, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst.
Welche HPV Erkrankung wurde bei Dir festgestellt?
Mir wurde eine Gebärmutterhalskrebsvorstufe diagnostiziert. Mit der Krankheit Krebs konfrontiert zu sein, war erstmal ein riesiger Schock. Mein Arzt hat mich anschliessend sehr gut über HPV-Infektionen und potenzielle Folgeerkrankungen aufgeklärt. Zum Glück wurde die Erkrankung sehr schnell entdeckt und die Krebsvorstufe war somit noch gut behandelbar. Heute weiss ich: Das was ich erlebt habe, erleben jedes Jahr ca. 5’000 weitere Frauen in der Schweiz.
War Dir HPV ein Begriff, bevor Du mit der Diagnose Gebärmutterhalskrebsvorstufe konfrontiert wurdest?
Nur oberflächlich. HPV generell sowie HPV-Infektionen und Genitalwarzen, die verschiedenen HPV-Typen oder die HPV-Impfung waren während meiner Schulzeit leider kein grosses Thema.
War Dir bewusst, dass HP-Viren Gebärmutterhalskrebs auslösen können?
Nein, denn ich habe die genauen Hintergründe zu HPV nicht gekannt. Ich dachte ich bin gesund, sportlich und ernähre mich ausgewogen – Gebärmutterhalskrebs oder Krebs allgemein waren da nie ein Thema. So wie ich damals, denken heutzutage vielleicht viele junge Frauen in der Schweiz. Eine Infektion bleibt oft unbemerkt und verläuft ohne Symptome. Bleibt diese weiterhin unbemerkt, kann eine Infektion nach einiger Zeit schwere Erkrankungen wie Gebärmutterhalskrebs, Vaginalkrebs, oder Vulvakrebs auslösen.
Was ich damals ebenfalls nicht wusste: Auch Männer sind von den Viren und einer Infektion betroffen. Bei ihnen können die HP-Viren zum Beispiel Peniskrebs auslösen. Während des Arztgesprächs habe ich auch erfahren, dass es Krebsformen gibt, die beide Geschlechter betreffen wie bspw. Analkrebs oder Krebsformen im Hals- und Rachenbereich. Auch Genitalwarzen (Feigwarzen) gehören zu den Infektionen, die von den HP-Viren ausgelöst werden können. Umso wichtiger ist es, dass wir vermehrt über HP-Viren und die resultierenden Infektionen aufklären und vor allem über Schutzmöglichkeiten wie die HPV-Impfung sprechen.
Wie schätzt Du das Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung zu HPV ein?
Viele haben bereits davon gehört aber nur ganz wenige wissen wirklich, wofür HPV steht, was es bedeutet und dass eine Infektion sogar Krebs auslösen kann. Umso überraschter war ich, als HPV sowie die verschiedenen HPV-Typen während meines gerade begonnen Physiotherapie Studiums erwähnt wurden. Schade, dass das nicht schon viel früher der Fall war und HPV-Infektionen heute immer noch nicht in allen Schulen frühzeitig besprochen werden.
Was denkst Du ist der Grund, für den tiefen Wissensstand?
Zum einen wird das Thema HPV in den Schulen wie eben bereits erwähnt oft nicht angesprochen und zum anderen kann es für viele ein unangenehmes Thema sein, über sexuell übertragbare Krankheiten zu sprechen. Ich kann mir vorstellen, dass es vor allem für Eltern ein schwieriges Thema sein kann – vor allem, wenn das Kind noch recht jung ist. Die Durchimpfungsrate bei jungen Frauen in der Schweiz liegt gerade mal bei 56 %. Da die Impfung aber im besten Fall vor dem ersten Sexualkontakt erfolgen sollte, ist es umso wichtiger, das Thema möglichst frühzeitig zu besprechen. Ihr Kind wird es ihnen danken – schliesslich sorgen Sie sich um seine/ihre Gesundheit und können Ihrer Tochter/Ihrem Sohn einen gesunden und selbstbewussten Start ins Erwachsenalter bieten. Ich wünschte ich hätte damals früher etwas über die HP-Viren, die verschiedenen HPV-Typen oder die HPV-Impfung erfahren. Darum setze ich mich jetzt umso mehr dafür ein, dass HPV stärker thematisiert wird.